Kirchengründer
wollte er nicht sein!
Der Reformator
Martin Luther und sein Selbstverständnis
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für
ORB-Radio Brandenburg - Journal nach 10 - Kirche
Donnerstag, 9. Mai 1996, 20:10 - 20:30 Uhr
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Am
4. Mai 1521 - vor 475 Jahren wurde Martin Luther überfallen. Von
Freunden! In Worms hatte er den Kaiser und den versammelten Reichstag
nicht für seine Kritik an der damaligen Römisch-Katholischen Kirche
gewinnen können. Nun war er auf der Rückreise und
musste damit rechnen, als Ketzer verhaftet und verurteilt zu werden.
Tatsächlich aber ließ ihn sein Landesherr in Schutzhaft nehmen
und versteckte bei Eisenach auf der Wartburg. Die Wartburg-Stiftung nahm das zum Anlass, zu einem
wissenschaftlichen Kolloquium einzuladen. Thema: "Der Mensch Luther
und sein Umfeld". Bernhard Lohse, den ehemaligen Professor für
Kirchenrecht an der Universität Hamburg , beschäftigte vor allem die Frage nach Luthers
Selbstverständnis. Hat er sich selbst als Reformator begriffen?
Heinz-Peter Katlewski war auf der Wartburg und hat mit Bernhard Lohse
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Katalog
zur Luther-Ausstellung auf der Wartburg nur noch
antiquarisch erhältlich:
Aller
Knecht und Christi Untertan / Der Mensch Luther und sein
Umfeld
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Doktor
der Heiligen Schrift, so hat sich Martin Luther am liebsten genannt. Doch
durch die päpstliche Bannbulle vom Januar 1521 und die Erklärung der
Reichsacht wurden ihm alle seine akademischen Titel offiziell aberkannt.
Er lehrte zwar auch später noch in Wittenberg als Hochschullehrer, aber
bei öffentlichen Auseinandersetzungen, berief er sich nur noch selten auf
seine akademischen Weihen. Das musste er auch nicht, denn Luther war
populär. Die Menschen wählten Bezeichnungen für ihn, von denen er die
eine oder andere in seinen Schriften selbst geprägt hatte. Aber
identifizierte er sich damit?
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O-Ton 1 (Prof. Dr.
Bernhard Lohse)
Luther als Reformator oder Luther als Prophet oder Luther als Prophet
der Deutschen. Nur ist das Ergebnis eigentlich immer gewesen, dass es
zwar einige Stellen gibt, wo Luther sich solche Titel beilegt, aber es
gibt andere, wo er solche Titel zurückweist oder wo er sich zumindest
einer verschlüsselten Sprache bedient, und es eigentlich dem Hörer
oder dem Leser überlässt, ob er eine solche Bezeichnung auf Luther
anwenden will.
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Seine
95 Thesen gegen das gewerbliche Ablasswesen hatte Luther zunächst ganz
akademisch verfasst. Er konnte für diese Art, Sündenvergebung durch
den Kauf von Ablasszetteln zu erlangen, in der Bibel keine Grundlagen
finden. Als Bibelwissenschaftler glaubte er deshalb, es seinem Doktor-Eid
schuldig zu sein, Papst und Kirche darauf aufmerksam machen zu müssen.
Er konnte nicht anders, und so forderte er auf zu einem öffentlichen
Disput über die Ablassfrage. Damals, 1517, meint der Hamburger
Kirchenhistoriker Bernhard Lohse, sah er sich dazu geradezu genötigt.
Gott habe ihn wie ein blindes Pferd in die Arena gebracht, und da habe
er laufen müssen. Im weiteren Verlauf der Eskalation dieser Kontroverse
führt ihn das dann zu der Gewissheit, im Namen Jesu Christi selbst zu
handeln. Er versteht sich als sein Instrument.
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O-Ton 2 (Prof. Dr.
Bernhard Lohse)
Er meint, die Heilige Schrift ganz eindeutig auf seiner Seite zu haben
gegen die Ablasslehre und die Ablasspraxis der damaligen Kirche.
Interessant ist, dass Luther auch in verschiedenen anderen Kontroversen
mit führenden Vertretern der alten Kirche in ähnlicher Weise den
Anspruch erhoben hat, die Sache Jesu Christi selbst zu vertreten. Das lässt
sich für 1518 und auch für 1519 in verschiedenen Auseinandersetzungen
zeigen, und erreicht eigentlich den Höhepunkt, als nach der Verkündung
der Bannandrohungsbulle im Sommer 1520 Luther im Namen Jesu Christi auch
den Papst und die Kardinäle seinerseits mit einem Bannfluch bedenkt.
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Hinter
ihnen verberge sich der Antichrist; ihre Lehre habe mit dem
Evangelium nichts mehr zu tun. Luther reagiert heftig und verbrennt
die Bulle des Papstes, die ihm den Bann androht. Polemische
Argumentationen und eine scharfe Rhetorik werden seine Stilmittel,
nicht nur im Streit mit den Vertretern von Papst und Kurie, auch in
der Debatte mit anderen Vertretern der Reformation.
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O-Ton 3 (Prof. Dr.
Bernhard Lohse)
Interessant ist aber dann weiter, dass Luther nur gegenüber Rom in
diesen Anfangsjahren der Reformationszeit diesen besonderen Anspruch
erhebt, nicht jedoch bei seinen späteren Auseinandersetzungen mit den
Vertretern des sogenannten linken Flügels der Reformation. Es geht da
um Sachfragen, wie bestimmte Textabschnitte der Bibel ausgelegt werden
müssen oder nicht. Luther geht also mehr argumentativ vor und nicht mit
diesem enormen Sendungsbewusstsein.
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Aber
was ist geblieben von dieser Sendung? Ein Kirchengründer jedenfalls
wollte Martin Luther nicht sein. Große Teile seiner Kritik, die am kommerziellen
Ablasswesen ohnehin, werden heute auf katholischer Seite ähnlich eingeschätzt.
Noch einmal Bernhard Lohse.
O-Ton 4 (Prof. Dr.
Bernhard Lohse)
Wir können diesen Konflikt zwischen Luther und Rom nur in seiner
historischen Entwicklung und auch Bedingtheit sehen. Wir können
keinesfalls Luthers Position direkt in unsere heutige Zeit übertragen.
Wir können weder der katholischen Kirche vorhalten, dass sie
antichristlich sei, noch können wir evangelischerseits den Anspruch
erheben, dass wir einfach die Sache Jesu Christi für uns gepachtet
haben, sondern wir müssen lernen, dass wir alle, ob Katholiken oder
Lutheraner, oder auch gleich welcher Kirche wir auch sonst angehören,
uns bemühen müssen, das Evangelium in seiner ganzen Schärfe und Deutlichkeit
für uns gültig werden zu lassen.
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©
für das Manuskript bei Heinz-Peter Katlewski, 1996.
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