Musik
1a
Psalm
113,
auf: Celebrating the Past and the Present
HUC-JIR 1999, Industrie-Nr. 6-6035506172-1
((bei
ca. 0:22 runterziehen, unterlegen)) |
New
York City, Stadtteil Greenwich Village, unweit vom Washington
Square. Vor
mehr als fünfzig Jahren wurde hier eine Art Konservatorium
etabliert zur Ausbildung von jüdischen Kantoren. Es ist eine ganz
und gar amerikanische Institution, und doch ist sie in vielfacher
Hinsicht mit deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur verflochten.
Es handelt sich um die „School of Sacred Music“ an der New
Yorker Dependance des Hebrew-Union-College, der ältesten jüdischen
Hochschule für Religion in den USA. |

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((bei
ca. 0:32 wieder hochfahren))
Musik
1b
Psalm
113,
auf: Celebrating the Past and the Present
HUC-JIR 1999, Industrie-Nr. 6-6035506172-1
((bei
ca. 0:44 absenken und vor "Lewandowski" rausziehen)) |
1998
feierte die School of Sacred Music ihr 50jähriges Jubiläum. Die
Tradition aber, auf die sie zurückblickt, hat ihre Wurzeln in der
Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa, und hier vor allem in
Deutschland. Ein Name ist geradezu ein Synonym für diese Anfänge:
der Berliner Kantor und
Komponist Louis Lewandowski.
Als
die Berliner Jüdische Gemeinde im Jahre 1844 diesen ehemaligen
Studenten der Kompositionsklasse an der Preußischen Akademie der
Künste als Chordirigenten einstellte, konnte sie nicht ahnen,
dass ihr neuer, 23 Jahre alter Hausmusiker den Ehrgeiz hatte, die
Synagogalmusik gründlich zu verändern. Dazu gehörten für ihn
vor allem die Orgel
- und zuweilen auch Melodien, die zuerst in Kirchen
erklangen. Zum Beispiel diese Hymne zu Chanukka, einem Fest, das
wie Weihnachten, im Dezember gefeiert wird. Wie in der Jüdischen
Reformgemeinde zu Berlin Ende der 20iger Jahre
Lewandowski-Arrangements klangen, davon zeugt diese historische
Aufnahme: |
((bei
1:25 aufblenden, evtl. vorher bereits unterlegen))
Musik
2
Ma’os
Zur,
auf: Die Musiktradition der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin
BTR 9702, Feher Jewish Music Center - Beth Hatefutsoth Records
((bei
2:03 absenken und noch etwas unterlegen)) |
Die
Aufklärung hatte den Juden zwar schließlich die Emanzipation
gebracht, ihnen aber gleichzeitig das Gefühl vermittelt, dass
ihre Traditionen überholt sind und die Liturgie einer Reform
bedarf. Form und Stil von Gesang und Musik in der Synagoge
näherten Lewandwoski und viele andere Kantoren und Komponisten
seiner Zeit der damals populären spätromantischen europäischen
Musik an. Sie komponierten die althergebrachten melodischen Muster
mit ihren hebräischen Akzenten in ein harmonisches Gerüst.
Ein
Beispiel: Ma Towu – Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine
Wohnungen, Israel. Ein Gebetsgesang mit dem seit Jahrhunderten zu
Beginn des Gottesdienstes am Samstag, am Morgen des Schabbat, das
Zusammentreffen in der Synagoge gefeiert wird. Vom späten 19.
Jahrhundert an bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts klang
das vor allem in den großen Städten oft so.
((bei
2:29 rein [Gesang], ab Ma Towu vorher unterlegen))
Musik
3
Wie
schön sind deine Zelte Jakob,
auf: Die Musiktradition der Jüdischen Reformgemeinde zu
Berlin
BTR 9702, Feher Jewish Music Center - Beth Hatefutsoth
Records |
|
Mit
dem 19. Jahrhundert kommt es in Europa zu einer Blüte der Synagogalmusik.
Das europäische Judentum, und vor allem das in Deutschland, ist so
produktiv, das es sich leisten kann, viele seiner Kantoren an die
Auswanderergemeinden in den USA und Kanada zu verlieren. So bleibt es –
bis zum Holocaust und der Ermordung von Millionen Juden in Europa. Dazu
Bruce Ruben, Geschichtsdozent an der städtischen Universität von New
York und Gemeindekantor des Tempel „Shaaray Tefila“:
O-Ton 1
<21> (Interview Cantor Bruce Ruben, Temple Shaaray Tefila,
New York)
WWII means there is no longer a source like that and all the
movements began to confront the problem seriously for the first
time. There have been attempts all the way long. The Jewish
Theological Seminary tried several times to start a school. Some
of the early cantorial unions attempted to form schools, because
everybody thought, there were a problem, these was no systematic
education in terms of Jewish music and cantorial arts. So that
finally in 1948 a group of people got together and – there were
not just Reform, there were all movements represented: Orthodox,
Reform and Conservative, Rabbis and Musicians involved in this
attempt. The group was called „The Society for the Advancement
of Liturgical Music“ and they met at the Spanish-Portuguese
Synagogue. It was an Orthodox Synagogue and they said, what we
have to do, is to create a professional cantorate for all of the
Jewish people in America. JTS, Jewish Theological Seminary, the
conservative group, did not confirm offering space. Yeshiva was
hesitant, but Hebrew Union College said, we will host such a
school. And immediately there were political problems, because the
Orthodox didn’t want their Cantors trained in a Reform
institution and there was a lot of political back and forth.
Finally, the school got the approval of the president of Hebrew
Union College. And they began a curriculum that connected with a
new School of Education, that what was put in New York in 1948.
And so 1948 this new cantorial school was founded as the first
professional cantorial school in America, and its purpose was to
train Cantors for all the movements.
Nach
dem zweiten Weltkrieg war diese Quelle versiegt. Alle Richtungen
im amerikanischen Judentum mussten sich nun ernsthaft Gedanken
machen. Das Jüdisch-Theologische Seminar der konservativen
Strömung versuchte etwas auf die Beine zu stellen, die
Kantorenvereinigung bemühte sich Ausbildungsstätten zu gründen,
und jedem war klar, dass es ein Problem gibt, weil sowohl für
jüdische Musik als auch für eine fachwissenschaftlich fundierte
Qualifikation der Kantoren jede systematische Grundlage fehlte.
1948 fand sich schließlich eine Gruppe von Leuten aus allen
Lagern zusammen. Dazu gehörten Orthodoxe, das Reformjudentum, Konservative,
Rabbiner und Musiker. Diese Gruppe nannte sich „Gesellschaft
für die Förderung liturgischer Musik“. Sie trafen sich in der
orthodox ausgerichteten spanisch-portugiesischen Synagoge. Als
Ziel formulierte sie, den Kantorenberuf zu professionalisieren –
und zwar für das gesamte Judentum in Amerika. Das
Jüdisch-Theologische Seminar konnte keinen Platz zur Verfügung
stellen. Die orthodoxe Yeshiva-Universität war unschlüssig. Nur
das liberale Hebrew Union College erklärte, dass es bereit wäre,
eine solche Schule zu unterhalten. Das hatte sogleich politische
Probleme zur Folge. Die Orthodoxen wollten nicht, dass ihre
Kantoren in einer Hochschule der Reformbewegung unterrichtet
werden. Aber weil das Hebrew Union College in New York ohnehin
eine pädagogische Fakultät eröffnen wollte, ergriff es die
Initiative und eröffnete 1948 die erste professionelle
Kantorenschule in Amerika mit dem erklärten Ziel, Kantoren für
alle Strömungen auszubilden. |
Tatsächlich
bilden heute alle Strömungen des amerikanischen Judentums ihre
Kantoren selber aus. Die School of Sacred Music ist aber bei
weitem die größte Hochschule.
In
den USA leben – nach Israel – die meisten Juden weltweit, nämlich
rund sechs Millionen Menschen. Vieles von dem was sich in diesem
Teil der Welt tut, wirkt auch auf andere Regionen der Diaspora,
erst recht auf die in den letzten Jahren schnell wachsende jüdische
Gemeinschaft in Deutschland. Vor
gut vier Jahren war es im Berliner Zentrum Judaicum der Synagoge
Oranienburger Straße eine New Yorkerin, die zum ersten Mal in
Deutschland demonstrierte, dass auch Frauen dieses Amt ausfüllen
können. Das ist innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in
Deutschland noch lange nicht konsensfähig. In der liberal geprägten
Berliner Synagoge Oranienburger Straße allerdings leiten jetzt
schon seit einiger Zeit Kantorinnen den Gottesdienst. Wie gesagt,
die erste Kantorin kam zu Besuch aus New York: Rebecca Garfein:
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