Lieder,
die die Gemeinde oder ein Chor singt, sind nur ein Teil davon.
Katholische Gottesdienstfeiern kennen noch einige andere Gesänge.
Die, für die Gemeinde, stehen im Katholischen Gebet- und
Gesangbuch "Gotteslob". Außer in der deutschsprachigen
Schweiz wird der Stammteil im gesamten deutschen Sprachraum
verwendet, ergänzt um eigene regionale Anhänge. Die zur Zeit gültige
Ausgabe ist zwar fast ein Vierteljahrhundert alt, aber noch*)
denkt
niemand an eine Revision. Die neuen Gesangbücher der
Evangelischen Kirchen dagegen sind erst wenige Jahre alt, und die
der Protestanten und Katholiken in der deutschsprachigen Schweiz
wurden sogar erst im letzten Jahr in den Gemeinden eingeführt.
Die zuständigen Gremien haben sich deshalb offenbar entschlossen,
abzuwarten. Die Aufgabe des Instituts ist es nun zu beobachten:
wie bewähren sich diese neuen Bücher? Zünden sie in ihren
Gemeinden? Welche Teile der Repertoires überschreiten
konfessionelle Grenzen, oder die von Regionen oder Diözesen? |
O-Ton
6 (Christof Emanuel Hahn, DLI-Trier)
Sehr vieles ist auch Tradition, in der ja jede Gemeinde steht und
jede Diözese. Selbst ein neues gemeinsames Gesangbuch kann nicht
vergessen lassen, dass die Gemeinden, für die es gedacht ist, Jahrhunderte
lang schon gesungen haben und ihre eigenen Lieder hatten, ihre
eigenen Weisen, ihre eigenen Texte und dass sie ein
Erstgeburtsrecht haben auch an diesem Buch enthalten zu sein. Die
Gemeinden haben die Pflicht, dieses Erbe zu pflegen, statt es zugunsten
eines großen gemeinsamen Buches aufzugeben. Und das ist die Frage
aller, die Gesangbücher machen, was kommt hinein, und wie
verhält sich das Eigengut einer Diözese oder Gemeinde zu dem,
was allen gemeinsam sein muss, damit aus verschiedenen Gründen
eben nicht das ein- und selbe Lied in jeder Gemeinde auf eine
andere Melodie mit anderen Strophen gesungen wird. Das ist auch
eine sinnvolle Sache, dass Regionen Lieder haben, die man anderswo
nicht singt oder auch nicht singen möchte. Man soll nicht mit
Gewalt eine Messe von Michael Haydn oder Franz Schubert dorthin
exportieren, wo sie nie heimisch war, aber den Österreichern auch
nicht unbedingt wegnehmen, so lang die Sache noch lebendig ist und
von den Leuten auswendig jederzeit mit allen Strophen meist noch
mehrstimmig gesungen werden kann. |
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Musik
4
Gloria,
auf: Schubert "Deutsche Messe",
EMI Laser CDZ 7627632, LC0110
((nach
ca. 57" zügig rausziehen)) |
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O-Ton
7 (Christof Emanuel Hahn, DLI-Trier)
Wir arbeiten zu Händen der Liturgiekommission, und die wiederum
zu Händen der Bischofskonferenz, der sie zugeordnet ist. In der
Zeit, wo ein Buch noch einigermaßen frisch ist und nicht
sozusagen ausgesungen und die Leute dringend was anderes brauchen,
bleibt fast nur, dass man den Markt beobachtet, dass man gute
Dinge registriert, dass man, wenn jemand was will, ihn auf dieses
und jenes hinweisen kann, damit er es als Quelle für etwas
benutzt um daraus zu schöpfen für eigene Liederbücher quasi
oder für einen bestimmten Anlass etwas braucht, aber mehr ist in
dieser Zwischenzeit an sich nicht möglich, außer die
begleitenden Maßnahmen, um ein Buch wirklich einzuführen,
lebendig zu erhalten und den Leuten Freude daran zu geben, ob das
jetzt Begleitstücke sind für Instrumente, Chorsätze,
hymnologische Literatur. |
Besondere
Anlässe freilich sind auch Gelegenheiten, Lieder neu
auszuprobieren. Die Katholikentage zum Beispiel. Manche ziehen von
dort später in das offizielle Repertoire der Kirche ein, ins
Gesangbuch, und repräsentieren dort Themen, die viele katholische
Christen bewegen. Etwa: "Sucht neue Worte, das Wort zu verkünden!"
Im KG, dem neuen Katholischen Gesangbuch der deutschsprachigen
Schweiz, gehört es zum Kanon der Lob- und Danklieder - eine
Aufnahme vom Deutschen Katholikentag in Aachen 1986: "Singt
dem Herrn alle Völker und Rassen!".
Musik
5
"Singt
dem Herrn alle Völker und Rassen",
auf CD 2: 150 Jahre Deutsche Katholikentage 1848 -
1998,
Weltbild Wort/ DeutschlandRadio,
Gema 704643, LC4641 |
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Es
geht aber nicht unbedingt immer um neue Lieder.
Um
Lieder, die bereits im Gotteslob stehen, lebendig zu erhalten oder sie
lebendig werden zu lassen, brauchen sie u.U. nur ein neues Umfeld, ein
Beispiel für ein anderes Arrangement. Aber auch neue Lieder sollen
ausprobiert werden können. 1994 gab das Deutsche Liturgische Institut dafür
das Gebet- und Liederbuch "Unterwegs" heraus - gemeinsam mit der
Organisation der katholischen Laien, dem Zentralkomitee der Deutschen
Katholiken. Seit 1998 gibt's dazu separat eine CD mit modernen
Arrangements und einen Themenschlüssel.
O-Ton
8 (Christof Emanuel Hahn, DLI-Trier)
Da man nicht nur ein Büchlein auf den Markt bringen wollte, ohne
jede Bei-Publikation, hatten wir eben ein Stichwortregister
gemacht nach verschiedensten Gesichtspunkten die ganzen Strophen
zum Teil sehr detailliert aufgeschlüsselt, dann zentrale
Stichworte für ein bestimmtes Lied noch einmal, dann die ganzen
biblischen Anklänge: Irgendwas, was in einer Zeile nach einem
Bibelvers klingt, wurde alles herausgezogen und systematisiert.
Wenn mal jemand einen Schrifttext hat und sagt, ich such' ein
Lied, vielleicht kommt wenigstens etwas aus dieser Perikope, aus
diesem biblischen Abschnitt drin vor. Und dann findet er ein Lied,
wo in irgendeiner Strophe vielleicht das zitiert wird. |
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Musik 6
In
der Mitte der Nacht,
auf: "Unterwegs" - Lieder und Gesänge. Eine
Auswahl,
VzF Deutsches Liturgisches Institut, Best.-Nr.7113
((nach ca.
53" vor dem O-Ton ausblenden)) |
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O-Ton
9 (Prof. Dr. Balthasar Fischer,
DLI-Trier)
Es geht um den Dienst der Gemeinde vor Gott. Und dieser Dienst hat
bestimmte, von Anfang
an bestimmte Formen gehabt. Man war immer sich bewusst, dass
man das nicht beliebig machen kann,
nicht so, wie es einem gerade einfällt. Das sind
vielleicht Zustände des Anfangs, das man ein gewisse Naivität
hat, eine Liturgie, die sich langsam festigt, die der Besitz aller
werden soll, die auch keine extremen Forderungen an die Teilnehmer
stellt durch außergewöhnliche Äußerungen. Das muss dann
langsam sich festigen lassen. Und dann entstehen gottesdienstliche Formen,
in denen der Kontakt zwischen der Gemeinde und ihrem Erlöser
formuliert werden kann. |
Balthasar
Fischer, seit 1981 emeritierter Professor für
Liturgiewissenschaft in Trier und stellvertretender Vorsitzender
der Deutschen Liturgischen Instituts.
Dass
diese Aufgabe, der Liturgie in den deutschsprachigen Ländern eine
zeitgemäße Struktur zu geben, nach Trier an die westliche Grenze
des deutschen Sprachraums ging, hatte nichts zu tun mit einer bewussten
Entscheidung für die im Mittelalter für das Christentum einst so
bedeutende Stadt. Das war eher dem Zufall geschuldet. Der Trierer
Generalvikar war Mitte der vierziger Jahre Mitglied der
Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz - und (!)
bereit, die Kosten zu tragen. Das bedeutete, einen Geistlichen
"fulltime" zur Verfügung zu stellen, um ein solches
Institut aufzubauen. Den eigentlichen Anstoß dazu aber gab zuvor
ein Sendschreiben des Papstes. Balthasar Fischer erinnert sich: |
O-Ton
10
(Prof. Dr. Balthasar Fischer, DLI-Trier)
Papst Pius XII hatte in diesem Jahr 1947, im Spätjahr 1947 einen
Rundbrief, eine sogenannte Enzyklika herausgegeben, die mit den
lateinischen Worten "Mediato Deï" beginnt und hatte zum
ersten Mal in der Geschichte solcher Veröffentlichungen sich
grundsätzlich zur Frage des Gottesdienstes geäußert. Das hatte
bisher nicht stattgefunden, trotz des Gewichtes, das man der
Liturgie in allen Jahrhunderten gegeben hat. Man ist nie auf den
Gedanken gekommen, dass man reflex über dieses Geschehen des
Gottesdienstes sich mit der Stimme der höchsten Autorität oder
der Stimme des Konzils, dass man sich zu diesen Dingen äußern könnte. |
*)
Das galt 1995. Seit dem
Frühjahr 2002 arbeitet eine Unterkommission der
Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz an der Revision
des katholischen Gebet- und Gesangbuches "Gotteslob".
(siehe dazu: Interview mit Joachim Kardinal Meissner in der
Ausgabe 2002/ 1 der Zeitschrift "Musica Sacra": Das
katholische Gesangbuch als "Vademecum"
(weiter im Manuskripttext)
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