Teil
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Musik
1
1.
Strophe: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer,
aus: Thomasmesse in Bremen, 25.9.1994
((nach
22" absenken, dann unter dem Text kreuzblenden mit Atmo 2)) 22 |
Thomasmesse
im evangelischen Bremer Dom. Die Kirche ist überfüllt.
Eingeladen sind vor allem Zweifler - Menschen, die, wie einst der
Jesusjünger Thomas, skeptisch sind, in den Gemeinden am Rande
stehen, aber mit der Kirche noch nicht gebrochen haben, vielleicht
sogar zu Kirchentagen fahren, allerdings selten Gottesdienste
besuchen. Für sie ist hier an jedem letzten Sonntag des Monats
alles ein wenig anders als sonst: Teile der Liturgie werden
inszeniert wie ein Theaterstück, andere sind offen wie ein
Wochenmarkt: die Menschen können im Dom umhergehen und sich
umsehen, an den unterschiedlich geschmückten Altären
Fürbittegebete aufschreiben, sich segnen lassen und sogar
seelsorgerliche Gespräche führen. Auch die Lieder klingen hier
anders als sonst. Band und Chor präsentieren eine Art liturgische
Popmusik. |
Musik 2
Wo
ein Mensch Vertrauen hegt,
2. Strophe "Da berühren sich Himmel und Erde" von
RUHAMA,
aus: Mitschnitt Thomasmesse in Bremen, 25.9.1994
((nach
17" absenken und unterlegen, dann kurz hoch und raus)) |
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O-Ton 1 (Heidi Suhlri, Bremen)
Es wird oft gesagt, die Musik sei toll und sei mitreißend.
"Schade, wir konnten nicht mitsingen, weil wir keine Hefte
mehr abgekriegt haben von der Thomasmesse. Aber es wird auch sehr
oft gesagt, dass die Musik der rote Faden ist, der durch das ganze
hindurch geführt hat, und ich merke es immer wieder, dass wir
hinterher mordsgeklatscht kriegen und dass die Leute noch bleiben
und nicht gehen wollen, und dass wir sie dann quasi mit einem
zündenden Rausschmeißer verabschieden müssen, sonst wären wir
vielleicht auch ne Stunde länger da. |
Heidi
Suhlri ist Kirchenmusikerin und eigentlich schon seit Jahren pensioniert.
Dennoch, bis vor kurzem leitete sie Band und Chor bei den Bremer
Thomasmessen. Anders als die meisten Kantorinnen und Kantoren kam sie
früh praktisch mit einer Gattung kirchlicher Laienmusik in Berührung,
die bis heute von der Zunft der professionellen Kirchenmusiker misstrauisch
beäugt wird: dem neuen geistlichen Lied.
O-Ton
2 (Heidi Suhlri, Bremen)
Ich war 10 Jahre lang in Alt-Saarbrücken als Kirchenmusikerin,
und die vier Pastoren, die dort agierten, die wünschten
mindestens bei den Schulgottesdiensten moderne Songs. So was hatte
ich in meiner Ausbildung überhaupt nicht gelernt und habe mich
dann mit Hilfe von Workshops, die in der rheinischen Kirche
angeboten wurden, durch Oskar Gottlieb Blarr, durch Peter Jannsens
und noch andere Leute wochenlang auf die Schulbank gesetzt
sozusagen. |
Peter
Janssens gehörte einst zu den Pionieren des neuen geistlichen
Liedes.
Bereits
in den frühen sechziger Jahren bemühen sich Jugendpfarrer in
beiden Konfessionen um Klänge, die den Ton junger Leute treffen,
und um Lieder, die Themen behandeln, von denen die sich
angesprochen fühlen. Für ihre Gemeindearbeit schreiben sie
solche Songs auch selbst. Und sie probieren Musik aus mit anderen
als den gewohnten Kircheninstrumenten. Bald schon werden diese
neue Formen öffentlich vorgestellt: auf Akademiekonferenzen,
Evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen. Zunächst in der
Jugendarbeit zeichnet sich ein neues Leitbild ab: die lebendige
afroamerikanische Musik, der Jazz und vor allem die Spirituals und
Gospels. Wenig später - mit dem Siegeszug des Beatles - findet
sich auch eine liturgische Form und ein Begriff dafür: die
Beatmesse. Da die jungen Geistlichen ihre Kirchenmusiker nur
selten dafür motivieren können, bitten sie weltliche Jazzer und
Unterhaltungsmusiker mit einer gewissen Affinität zur Kirche um
Unterstützung. So fing es auch bei Peter Janssens an. 1965 bringt
er*) zum
Beispiel in Duisburg die katholische Kirche St.Maria Himmelfahrt
zum swingen - zu Melodien von Spirituals: |
((Vorspiel
dem vorigen Text unterlegen))
Musik
3
"Mein
Gott welche Freude",
auf: EP Freut euch, der Herr ist nah - Jazzmesse
schwann/ams studio 15009, 7 PAL2722
((nach
15 Sekunden rausziehen und unterlegen)) |
O-Ton 3 (Peter Janssens, Telgte)
Da kamen damals so 'n paar junge Theologen auf mich zu und haben gesagt,
Mensch, du bist doch Jazzer, du machst doch auch Jazz. Lass uns doch mal
was probieren, ob wir so Psalmen und Jazz, so was machen. Jazz war
damals unser zeitgemäßes Medium der Musik. Wir kannten natürlich auch
die Moderne, auch Zwölftonmusik und Schönberg und alles, aber das für
mich nicht in Verbindung gesehen mit religiösen Texten für eine neue
Form von Gottesdienst. Wir kannten die traditionelle Kirchenmusik, die hing uns zu den Ohren raus oder sonst wo.
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Vor
allem die übliche Orgelbegleitung wird von vielen als zu dominant
empfunden. Die Königin der Instrumente, wie die Kirchenmusiker die
Orgel gern liebevoll nennen, beherrscht den Gottesdienst und behindert
damit zugleich die Beteiligung der Gemeinde. Aber die ist gefragt in
diesen Jahren in denen sich die gesamte Gesellschaft im Umbruch befindet
und alle Autoritäten in Frage gestellt werden. Über die Rolle der
Orgel in der Gemeinde hat der Theologe und Kirchenmusiker Peter Bubmann
nachgedacht:
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O-Ton 4 (Dr.Peter Bubmann,
Münster-Sarmsheim)
Die Orgel repräsentiert ein sehr stark vergeistigtes Verständnis von
Glauben, weil sie in ihrer Vielstimmigkeit, auch in ihrer Abstraktheit
sehr anspruchsvolle abstrakte Musik ermöglicht. Also wenn man an die
Fugentechniken des 17. und 18. Jahrhunderts denkt, zum Beispiel. Die
neueren Orgeln der Romantik haben aber auch sehr stark klangliche
Elemente gehabt. Also, meine Behauptung ist, dass die Orgel nie ein
wirklich volkstümliches Instrument war, es immer ein gewisse Tendenz
gab, dass die Orgel dazu tendierte, das Volk zu entmündigen, weil sie
ja sozusagen die große Musik übernehmen konnte und das Volk dann von
vornherein in einer etwas schwächeren Position war, quasi
untergeordnete, nicht so hochwertige Musik machen zu müssen.
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Gleichwohl,
Orgelvespern mit großer Musik vermögen noch immer die Kirchen zu
füllen, und auch aus der Gottesdienstbegleitung ist die Orgel nicht
wegzudenken. Sie gehört zur Aura des Kirchenraumes. Das Monopol
jedoch hat sie in den evangelischen Kirchen verloren. Das drückt
sich unter anderem im neuen Evangelischen Gesangbuch aus, mit dem
seit 1994 in den Gemeinden gesungen wird. Allein im Stammteil, den
alle Landeskirchen in Deutschland, Österreich und Luxemburg
miteinander teilen, sind rund 150 Lieder aus der zweiten Hälfte
dieses Jahrhunderts. Zwar hat nur ein Teil davon seine Wurzeln in
den popmusikalischen Strömungen. In den landeskirchlichen Anhängen
sieht das aber schon ganz anders aus. Jugendgruppen,
Familiengottesdienste, Kirchentage und ökumenische Begegnungen
haben ihren Teil dazu beigetragen, den populären Musikfarben auch
im Gemeindealltag Raum zu verschaffen. Mit unterschiedlichem Erfolg.
Die klassisch ausgebildeten Kirchenmusiker können bis heute nicht
viel damit anfangen. Trotz allem: Die Gesangskultur ist seither
vielfältiger geworden. Zur Zeit hat der Stil der ökumenischen
Kommunität von Taizé‚ den stärksten Einfluss:
((ab
"stärksten" unterlegen, dann hochziehen))
Musik
4 :
MC
1 (2/218-227): Ubi caritas,
auf: Neue Gesänge aus Taizé‚ - Instrumentalensemble,
Solisten, Knaben- und Jugendchor St.Michaelis Hamburg,
Christopherus 4 0170072 701015, LC 0612
((in
den O-Ton langsam rausziehen)) |
*)
Diese Information ist
leider nicht gesichert! Peter Janssens hat zwar bereits die erste
Duisburger Jazzmesse in der Kirche "St.Maria-Himmelfahrt"
komponiert, arrangiert und auf der Orgel begleitet. Das gilt auch
viele weitere unter der Leitung von Kantor Leo Schuhen. Im
Unterschied zu anderen Schallplatten verzeichnet diese
"Jazzmesse für die Adventszeit" Peter Janssens aber weder
als Komponisten noch als Arrangeur. Das mag daran liegen, dass alle
Melodien dieser Messe auf bekannte Spirituals
zurückgehen.
(weiter im Manuskripttext)
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